Sitzungswoche in Berlin zwischen Plenarsaal und Absperrungen
Markus Herbrand

Sehr geehrte Damen und Herren,

fast hätte die vergangene Sitzungswoche wieder einmal ganz im Zeichen der unruhigen Union gestanden, die nicht weiß, ob sie ihrer Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin direkt in den Rücken fallen oder lieber hintenrum alle Merkel-Unterstützer loswerden soll. Man hat sich für Letzteres entschieden und mit der Abwahl des Fraktionsvorsitzenden ein klares Zeichen gegen die eigene Bundeskanzlerin gesetzt. Deutlicher kann man Missfallen und Misstrauen nicht ausdrücken. Selbst Angela Merkel konnte an dieser Situation nichts mehr beschönigen und erkannte auch ihre persönliche Niederlage an, nachdem sie sich zuvor für die Wiederwahl ihres Getreuen eingesetzt hatte. Das unter diesen Vorzeichen noch drei Jahre stabil und vor allem erfolgreich Politik für die Zukunft unseres Landes gemacht werden kann, halte ich nur für einen frommen Wunsch. Die Ära Merkel neigt sich ihrem Ende zu - es könnte sogar schneller gehen, als von vielen gedacht.

Erfreulicherweise sind wir Freien Demokraten weit entfernt von der Ziel- und Antriebslosigkeit der großen Koalition. Mit unseren in dieser Woche im Bundestag eingebrachten Anträgen packen wir wichtige Themen an und bieten Alternativen zur Tatenlosigkeit der Bundesregierung. So könnte unser Antrag „Fahrverbote verhindern – Rechtsrahmen zur Hardware-Nachrüstung schaffen und Fonds zur freiwilligen Umrüstung von EURO-5-Diesel-Kfz auflegen“ die geeignete Blaupause für den richtigen Umgang mit der Autoindustrie sein, die sich vor ihrer Verantwortung nach wie vor drückt. Mit unseren Vorschlägen soll der kommunalen Ebene ermöglicht werden, die Umsetzung bestehender Luftreinhaltepläne nach Kosten-Wirkungs-Gesichtspunkten vorrangig zu behandeln. Weiterhin fordern wir die Schaffung eines Rechtsrahmens für Hardware-Nachrüstungen sowie deren zwangsweise Umsetzung für diejenigen Autohersteller, die nachweislich betrogen haben.

Die Zukunft der Bildung und Schulen in unserem Land ist Thema eines weiteren Antrags. „Bessere Bildung durch einen modernen Bildungsföderalismus“ ist dabei Überschrift und Zielsetzung zugleich. So halten wir die von der Bundesregierung geplante Grundgesetzänderung, um weiterreichende Investitionen des Bundes in Bildungsinfrastrukturen zu ermöglichen, für nicht ausreichend, um den Ansprüchen zukunftsorientierter Bildung für alle gerecht zu werden. Wir fordern daher Änderungen im Grundgesetz in Form einer sog. „Ermöglichungsklausel“ für Bildungszusammenarbeit im Artikel 91b. Nur so wäre es möglich, dass Bund und Länder zur Sicherstellung der Qualität, der Leistungsfähigkeit und der Weiterentwicklung des Bildungswesen umfassend zusammenwirken können. Bisher sind finanzielle Zuwendungen des Bundes für Schule und Bildung mit hohen Hürden versehen, da die Bildungspolitik in den Verantwortungsbereich der Länder fällt. Dieses längst überholte und destruktive Festhalten an Hoheitsgebieten schwächt unseren Bildungsstandort und befördert Profilierungsversuche auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler. Es ist endlich an der Zeit, die zerklüftete Bildungslandschaft zu einen, um die weltbeste Bildung für unsere nachkommenden Generationen zu gewährleisten.  

Besuchergruppe Koordinierungs, Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit geistiger Behinderung im Kreis Euskirchen

Gemeinsam mit meinem Fraktionskollegen und teilhabepolitischem Sprecher Jens Beeck MdB habe ich am Dienstag mit Besuchern der „Koordinierungs, Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit geistiger Behinderung im Kreis Euskirchen“ im Bundestag diskutiert. Wichtige Themen waren die Barrierefreiheit, Schwierigkeiten bei der Wohnraumbeschaffung, mangelnde Mobilitätsmöglichkeiten im ländlichen Raum sowie Herausforderungen bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt. Ich habe mit der Gruppe vereinbart, dass wir uns zu verschiedenen Aspekten auch in Zukunft austauschen - und dabei hoffentlich auch wieder so eine gute Stimmung haben, wie am vergangenen Dienstag. Vielen Dank für den Besuch im Bundestag!

Der Berlin-Besuch des türkischen Autokraten Erdogan nutzten wir am Donnerstag, um unseren Antrag „Erosion des Rechtsstaats in der Türkei stoppen“ in den Bundestag einzubringen. Auch wenn die Aufrechterhaltung von Gesprächskanälen für die internationale Zusammenarbeit unabdingbar ist, halten wir Freien Demokraten den roten Teppich für den Menschenrechte-verletzenden Sultan vom Bosporus für absolut fehlt am Platz. Anstatt des gesamte Regierungsviertel und sogar den Zugang zum Brandenburger Tor abzusperren - immerhin das weltweite Symbol für Menschenrechte, Freiheit und friedlichen Politikwechsel - hätte die Bundesregierung zu konstruktiven Arbeitsgesprächen einladen können. Die jetzige Veranstaltungsorgie zwischen Staatsbankett und Kölner Moscheeeröffnung vergisst die nach wie vor tausenden zu Unrecht in der Türkei inhaftierten Regierungsgegner und wird am Ende von Erdogan und Co. lediglich für Propagandezwecke ausgeschlachtet. Mit unserem Antrag fordern wir die türkische Regierung auf all diejenigen umgehend und bedingungslos auf freien Fuß zu setzen, die nur inhaftiert wurden, weil sie ihrer rechtmäßigen Tätigkeit nachgegangen sind und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausgeübt haben. Die Bundesregierung soll sich zudem auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei beendet werden. Stattdessen sind die Beziehungen mit der Türkei auf eine neue Grundlage enger sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit zu stellen. 

Beste Grüße

Unterschrift Markus Herbrand

PS: Für einen Einblick in die Debatte zu unserer Forderung nach einem Stopp der Rodungen für den Bau von Windrädern klicken Sie bitte hier:  

Deutsche Pensionskasse investiert in belgische Atommeiler

Als Bundestagsabgeordneter muss mir die Bundesregierung jeden Monat eine bestimmte Anzahl von Fragen, die sogenannten „schriftlichen Einzelfragen“ beantworten. Aus eine dieser Antworten geht hervor, dass über die Pensionsfonds des Bundes indirekt Gelder in die belgischen Schrottmeiler Tihange und Doel fließen. Diese Investitionen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen und dass, obwohl im Koalitionsvertrag ein Ende dieser Investitionen vereinbart wurde. Politische Glaubwürdigkeit sieht anders aus! Die Rheinische Post und die Aachener Zeitung haben in dieser Woche über das unehrliche Treiben der Bundesregierung berichtet.

Auch bei diesem Thema wird im Übrigen die Uneinigkeit der großen Koalition mehr als deutlich. Während Bundesumweltministerin Schulze mir schriftlich ein konsequentes und zügiges Ende dieser Investitionen zugesagt hat, stockte das verantwortliche Bundesinnenministerium die Beteiligungen sogar noch auf. Die Umsetzung des eigenen Koalitonsvertrages und ein Ende von deutschen Steuergeldern für marode Atommeiler liegt somit in der Hand von Horst Seehofer, der sich allerdings immer mehr von der Sachpolitik entfernt und einzig Streitigkeiten vom Zaum bricht. Schlimmer noch, es gibt anscheinend sogar Pläne noch mehr Geld zu investieren. Wie kann es sein, dass wir den Atomausstieg mit Milliardensummen subventionieren und uns gleichzeitig von belgischen Reaktoren bedroht sehen, in die Gelder aus deutschen Pensionskassen fließen? Ich habe Bundesinnenminister Seehofer aufgefordert, dieses unerhörte Vorgehen sofort und transparent für die Öffentlichkeit zu beenden. Ich werde an dieser Stelle nicht locker lassen.

Besuchergruppe Käthe Kollwitz-Gymnasium Wesseling

Mit dem sehr interessierten Sozialwissenschafts-Grundkurs des Wesselinger Käthe Kollwitz-Gymnasiums habe ich am Donnerstag über zahlreiche politische und persönliche Themen diskutiert. Von meinem politischen Werdegang über den richtigen Umgang mit der AfD bis hin zu Feinheiten der Tagesordnung im Finanzausschuss - die Themenvielfalt und die gute Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler hat mich sehr gefreut. 

Finanzthemen der Sitzungswoche

Das Geldwäscheparadies Deutschland und das Versagen der Aufsichtsbehörden in Politik und Verwaltung thematisieren Spiegel Online und der Bayerische Rundfunk. Seit dem Wechsel der obersten Ermittlungsbehörde FIU (Financial Intelligence Unit) vom Innen- zum Finanzministerium sind zehntausende Verdachtsmeldungen auf Terrorfinanzierung und Geldwäsche liegen geblieben. Die Behörde ist unterbesetzt und die Beschäftigten sind zum Teil falsch ausgebildet. Auf die eklatanten Fehler und das unverschämte Totschweigen der eigenen Versäumnisse habe ich das Finanzministerium bereits mehrfach hingewiesen. Das nun über immer größere Schwierigkeiten berichtet wird, zeigt deutlich, dass Finanzminister Scholz für viel zu lange Zeit weggeschaut und Dinge schön geredet hat. Er muss die Angelegenheit nun endlich zur Chefsache machen und die Ermittlerinnen und Ermittler mit Personal und Know-How stärken.

Ebenfalls notwendig ist eine Kursänderung des Finanzministers im Bereich der Unternehmensbesteuerung. So betonte Olaf Scholz bei seinem ersten Auftritt im Finanzausschuss seit seiner Vereidigung im März (!), dass er keinen Grund für Veränderungen bei der Steuergesetzgebung für Unternehmen sehen würde. Diese Haltung ist nicht nur für mich absolut unverständlich. Während USA, europäische Nachbarländer und asiatische Staaten längst die Unternehmensbesteuerung verringern, um eine florierende Wirtschaft zu ermöglichen und Neuansiedlungen zu befördern, ruhen sich große Koalition und Bundesregierung auf den Früchten der Vergangenheit aus. Olaf Schulz muss endlich seine Augen öffnen und dafür sorgen, dass der deutsche Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen gerät. Die FDP-Bundestagsfraktion strebt in jedem Fall eine umfassende Erneuerung der Unternehmensbesteuerung an, für die wir auch weiter werben werden.

Darüber hinaus fordern wir große Koalition und Bundesregierung dazu auf, endlich Farbe zu bekennen, wie sie mit dem Solidaritätszuschlag verfahren wollen. Nachdem im Sommer - pünktlich zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern - von verschiedenen Unionspolitikern das Ende des Solis für 2019 gefordert wurde, schiebt das politische Berlin die Entscheidung hierüber immer weiter auf. Kurze Hoffnung auf ein schnelles Ende keimte auf, als Bundeskanzlerin Merkel am Dienstag weitere Entlastungen beim Solidaritätszuschlag versprach. Dieser Anflug von Ehrlichkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern fand am Mittwochmorgen allerdings ein jähes Ende, nachdem die Unions- und SPD-Mehrheit im Finanzausschuss die Abstimmung über den FDP-Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solis einfach wieder von der Tagesordnung streichen ließ. Dieses Paradebeispiel wahl- und parteitaktischer Handlungen wird bei den bevorstehenden Wahlen hoffentlich von den Wählerinnen und Wählern abgestraft. Die FDP-Bundestagsfraktion wird in der Sitzungswoche vor den Landtagswahlen erneut die Abschaffung des Solidaritätszuschlags fordern und einen dementsprechenden Gesetzentwurf einbringen. Es wird spannend, welche Ausreden sich große Koalition und Bundesregierung für dessen Ablehnung aus den Fingern saugen.

Gespräch mit den Generaldirektor für Steuern und Zollunion bei der EU-Kommission, Herrn Stephan Quest

Der Finanzausschuss führte am Donnerstag Gespräche mit den Generaldirektor für Steuern und Zollunion bei der EU-Kommission, Herrn Stephan Quest. Herr Quest betonte die Notwendigkeit eines geregelten Brexits, um die möglichen negativen Folgen für die EU-Zollunion möglichst gering zu halten. Im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen über eine Digitalsteuer, um Internetriesen wie Google, Amazon und Facebook stärker zu besteuern verwies er auf anstehende schwierige Verhandlungen. Beide Themen bedürfen weiterhin vertiefte Diskussionen und können nicht durch Schnellschüsse zufriedenstellend gelöst werden.  

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