Plenarrede zur Soli-Abschaffung, Sitzungswoche zwischen Kanzlerinnen-Wahl und Bundeswehrmandaten
Markus Herbrand

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Sitzungswoche fand die längste Regierungsbildung seit Gründung der Bundesrepublik mit der Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer von der Großen Koalition getragenen Bundesregierung endlich ein Ende. Unabhängig davon, dass ich mich sehr gut mit einer anderen Regierungskonstellation hätte anfreunden können, werde ich nun gemeinsam mit meinen Fraktionskollegen konstruktiv daran arbeiten, dass Deutschland in vier Jahren besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist. Den wenig ambitionierten Zielen des Koalitionsvertrages der Großen Koalition werden wir dafür an den richtigen Stellen unsere Vorschläge und Konzepte klar entgegenstellen.

Wahl der Bundeskanzlerin

Die Wahl der Bundeskanzlerin war auch für mich etwas Besonderes. Das knappe Wahlergebnis zeigt, dass auch Teile der Großen Koalition ihre Bauchschmerzen mit der Politik der Kanzlerin haben.

Neben der Regierungswahl war die Sitzungswoche geprägt von zahlreichen Debatten über die unterschiedlichen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Von der Friedensmission im Südsudan über den Ausbildungseinsatz in Afghanistan bis hin zum Küstenschutz im Mittelmeer - unsere Soldatinnen und Soldaten sind im Rahmen von Nato- und UN-geführten Missionen weltweit aktiv. Hierfür die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, die Risiken zu minimieren und den Sinn der Einsätze regelmäßig zu evaluieren sind drei wichtige Aspekte für uns Freie Demokraten, wenn es um die Frage nach einer Zustimmung oder Ablehnung zu den Missionen geht. In diesem Sinne werden wir in den vor uns liegenden Detailberatungen in den Ausschüssen auch kritisch hinterfragen, ob jeder Auslandseinsatz so wie bisher fortgeführt werden sollte. 

Beste Grüße

Unterschrift Markus Herbrand

Versprechen einhalten - Solidaritätszuschlag für alle auslaufen lassen

Am Donnerstagvormittag hatte ich Gelegenheit, im Deutschen Bundestag auf die AfD-Forderung nach einem sofortigen Ende des Solidaritätszuschlags einzugehen. Der finanzpolitisch abstrusen Idee, dem Bundeshaushalt durch ein unmittelbares Ende der Zuschlagszahlungen direkt mehr als 18 Milliarden Euro zu entziehen, habe ich in meiner Rede ein klare Absage erteilt. Dieses Vorgehen hätte unkalkulierbare negative Folgen für uns alle. So würden z.B. die (immer noch viel zu gering) geplanten Investitionen in den Breitbandausbau und die Verkehrsinfrastruktur von jetzt auf gleich komplett wegfallen

Für uns Freie Demokraten ist klar, dass der Solidaritätszuschlag mit dem Ende des Solidarpaktes II zum 1. Januar 2020 auslaufen muss. Dieses Ende ist gesetzlich festgelegt und muss wie geplant umgesetzt werden. Unser am Freitag im Bundestag vorgestellter Gesetzesentwurf zeigt hierfür den richtigen Weg. Ein Weiterlaufen über dieses Datum hinaus – auch nur für eine Minderheit der Bevölkerung, wie von der Großen Koalition geplant – wäre nichts anderes, als eine Steuererhöhung. Das Ausbleiben einer versprochenen Entlastung ist eben auch eine Belastung. Wir Freie Demokraten wollen stattdessen alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen entlasten. 

Markus Herbrand Plenarrede Solidaritätszuschlag

Das Ende des Solidaritätszuschlags ist für mich richtig und rechtlich notwendig. Es muss aber geordnet erfolgen, ohne die Haushaltsstabilität zu gefährden. 

Die FDP möchte im Gegensatz zur AfD nicht die Axt an unseren Haushalt legen, sondern nur die Versprechen einhalten, die den Menschen bei Verabschiedung des Solidarpaktes II von allen beteiligten Parteien gegeben wurden: Den Solidaritätszuschlag 2020 auslaufen zu lassen. Ein Weiterlaufen wäre nach unserer Auffassung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, da der Soli von Anfang an als sogenannte Ergänzungsabgabe geplant war. Somit kann er nicht dauerhaft Bestand haben, sondern darf nur zur Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen erhoben werden. Dass mit einer Vorlaufzeit von knapp zwei Jahren und mit der auch dann noch prall gefüllten Steuerkasse - prognostiziert werden 120 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen bis 2021 - kein Wegbrechen elementar wichtiger Haushaltsmittel verbunden sein muss, zeigt unser Gesetzentwurf, für den wir um breite Zustimmung werben. 

Sitzungswoche im Schnelldurchlauf

Unser Antrag zur Einführung des sogenannten Wechselmodells als Regelfall für Umgang den richtigen Umgang mit Kindern nach einer Trennung der Eltern zielt darauf ab, Frauen und Männer gleichberechtigt an der Erziehung und Betreuung gemeinsamer Kinder zu beteiligen. Für uns Freie Demokraten darf die Trennung der Eltern nicht gleichbedeutend dafür sein, dass künftig nur ein Elternteil die Hauptlast der Verantwortung trägt oder dass der andere Elternteil mit Absicht aus dem Leben der Kinder hinausgedrängt wird. Mögliche individuelle Vereinbarungen der Eltern wollen wir dabei nicht außer Kraft setzen. Maßgeblich für die Umsetzung des Wechselmodells, bei dem beide Elternteile im Regelfall möglichst gleich lang die Betreuung der Kinder übernehmen, ist selbstverständlich das Kindeswohl. Über die möglichst gleichmäßig aufgeteilte Betreuungszeit hinaus fordern wir u.a. auch eine Überarbeitung der bestehenden Regelungen zum Ehegattenunterhalt, zur alleinigen Entscheidungsbefugnis eines Elternteils in Angelegenheiten des täglichen Lebens und zum melderechtlichen Wohnsitz.

Auch der FDP-Antrag für die Flexibilisierung der Arbeitszeitregeln adressiert ein drängendes Problem. So ist es bislang streng reguliert, wie lange die tägliche Arbeitszeit dauern darf und wie viele Wochenarbeitsstunden geleistet werden dürfen. Wir werben dafür, dieses starre Korsett aufzuweichen, um damit die Arbeitszeitregelung an die gelebte Wirklichkeit anzupassen. Dabei geht es in unserer Forderung nicht darum, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Arbeitsstunden aufzuzwingen. Wir wollen lediglich, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber frei miteinander vereinbaren können, wann die vertraglich festgelegte Arbeitszeit geleistet werden kann. Gerade für den Gastronomie- und Tourismusbereich aber auch für die digitale Wirtschaft wäre die damit verbundene Flexibilität beim Auffangen von Auftragsspitzen (bei schönem Wetter) und Auftragsrückgängen (bei schlechtem Wetter) von großem Vorteil. So würde z.B. auch der bislang notwendige Personalwechsel bei Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern wegfallen, die länger als die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitszeit dauern. Künftig könnte das Personal mit dem Arbeitgeber einfach eine längere Arbeitszeit angepasst an den Bedarf am Veranstaltungstag vereinbaren - die geleistete Mehrarbeit würde dann einfach durch mehr Freizeit an anderen Tagen ausgeglichen. Durch die von uns geforderte Beteiligung aller Tarifpartner bei der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs würde dabei sicher gestellt, dass die Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern gleichermaßen gewahrt bleiben. Im Übrigen ist unsere Forderung vorrangig am geltenden EU-Recht angelegt - über dieses geht die bislang in Deutschland gültige Arbeitszeitregelung weit hinaus.

Plenarsitzung Deutscher Bundestag

Der Bundestag behandelte auch in dieser Woche zahlreiche wichtige Themen.

In der von uns Freien Demokraten initiierten Debatte über das schändliche Vorgehen der Türkei bei den Kämpfen um die syrische Stadt Afrin haben wir die Bundesregierung erneut aufgefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den türkischen Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten. Unsere Forderungen reichen dabei von einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in der bisherigen Form bis hin zum Aussetzen deutscher Rüstungsexporte in die Türkei. Nach unserer Auffassung müssen die Beziehungen mit der Türkei auf eine neue Grundlage gestellt werden, die eine sicherheitspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit erlaubt. Auch angesichts der verschlechterten Menschenrechtssituation in der Türkei treten wir deshalb dafür ein, die umfangreichen sogenannten Vorbeitrittshilfen in Millionenhöhe so schnell wie möglich einzustellen. Es darf nicht sein, dass EU-Gelder der autoritären Regierung Erdogans am Ende noch den Rücken stärken. EU und Bundesregierung sollten vielmehr alle Möglichkeiten nutzen, reformorientierte Kräfte in der türkischen Gesellschaft zu unterstützen und die Kämpfe in Syrien zu beenden. Wir müssen hier und jetzt klar zeigen, dass die Türkei in der jetzigen Form kein Partner für Deutschland und Europa sein kann.

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