Die Wirtschaftsweisen mahnen ein zu langsames Agieren von Bundesregierung und Koalition an, während gleichzeitig die EZB wegen ihrer vermeintlich entschlossenen Reaktion gelobt wird. Dabei scheinen die Expertinnen und Experten vergessen zu haben, wie zögerlich die EZB noch Ende 2021 / Anfang 2022 auf die steigenden Inflationsraten reagiert hat. Tatsächlich wurden die damals schon steigenden Inflationsraten noch kurz vor dem russischen Angriffskrieg als nicht besorgniserregend kommentiert.
Während sich die FDP bereits seit Jahren für eine Erhöhung der Zinsen ausgesprochen hat, um den Teufelskreis von billigem Geld und mangelnder Haftung zu durchbrechen, hielt die EZB die erste Zinsanpassung erst Ende Juli 2022 für notwendig, während Bundesregierung und Ampelkoalition zu diesem Zeitpunkt bereits zwei milliardenschwere Entlastungspakete für die von den Inflationsfolgen Betroffenen auf den Weg gebracht hatte. Für mich ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Basis die Wirtschaftsweisen angesichts dieses Faktenlage zu der Einschätzung gekommen sind, dass die eine Ebene angeblich zu langsam und die andere entschlossen gehandelt hat. Zumal auch den Wirtschaftsweisen gerade angesichts des mittlerweile erfolgten Eingeständnisses von EZB-Chefin Lagarde, sich bei der Inflationsentwicklung und den notwendigen Maßnahmen zur Dämpfung der Teuerungsraten geirrt zu haben, klar sein sollte, dass früheres und wirklich entschlossenes Handeln der EZB möglicherweise die aktuelle Rekordinflation mit verhindert hätte.
Ähnlich verhält es sich mit dem Abbau der Kalten Progression, der selbstverständlich gerade in den aktuellen Krisenzeiten notwendig und angesichts der bekannten Steuereinnahmen des Bundes auf Rekordniveau auch möglich ist, um den Bürgerinnen und Bürgern nicht noch durch versteckte Steuererhöhungen höhere Belastungen aufzuerlegen. Im Gegenteil benötigen die Menschen jeden Euro, um die gestiegenen Preise auffangen und das für unsere heimische Wirtschaft wichtige Konsumverhalten auf einem stabilen Niveau halten zu können. Die Forderung nach zusätzlicher staatlicher Umverteilung durch Erhebung eines Energie-Solis wirft die Frage nach einer rechtssicheren Definition der davon Betroffenen auf, ganz zu schweigen davon, dass sich allein von einem vermeintlich überdurchschnittlich hohen Einkommen, dessen Definition auch rechtssicher erfolgen müsste, nicht ableiten lässt, ob auch eine überdurchschnittlich hohe Liquidität der oder des Soli-Zahlenden besteht oder ob beträchtliche Teile des Einkommens bspw. in Kreditverpflichtungen oder Gehaltszahlungen an eigene Angestellte gebunden sind.
Ebenso wie die Forderung nach einer zeitlich befristeten Erhöhung des Spitzensteuersatzes, bei der sich schon erahnen lässt, dass die Entfristung der nächste Punkt auf der Wunschliste sein wird, lässt auch diese Forderung vor allem reflexartige Vermögensabschöpfung und weniger durchdachte Konzepte zur Finanzierung unserer aktuellen Herausforderungen vermuten. Weder Länder noch Bund haben ein Einnahmeproblem, sodass sich vorrangig die Frage nach einer verbesserten Zielgenauigkeit von Hilfszahlungen stellt und sowohl Bundesregierung als auch Koalition gut daran tun, weiterhin daran zu arbeiten, für die Zukunft Konzepte zu entwickeln, die über den akuten Krisenmodus hinaus - in dem wir uns alle wünschen, dass möglichst Vieles, möglichst schnell umgesetzt wird -, Möglichkeiten schafft, dass diejenigen überdurchschnittlich von Unterstützung profitieren, die sie auch am Nötigsten haben.